Wo nach entscheidest du, wo du übernachtest? Ist ein Dachzelt nicht stressig – warum kein Wohnmobil? Vermisst du manchmal ein festes Zuhause mit fließendem Wasser? Mittlerweile ist ein richtiger Hype um das Dachzelt entstanden. Findest du das gut?

Diese und viele andere spannende Fragen habe ich im Interview für den Kölner Stadtanzeiger beantwortet, das am am Samstag in der Ausgabe 171 erschienen ist.

Für alle die es nicht gelesen haben und auch nicht in Köln und Umgebung wohnen, gibt es das Interview von Jenny Wagner hier zu lesen.

Wer lieber hören mag statt lesen, kann sich hier den Interview-Mitschnitt auf Youtube ansehen:

„Das Dachzelt ist meine Höhle“

Thilo Vogel liebt die Natur, den Blick in die Ferne – und die Mobilität. Für diese Liebe hat der 41-Jährige seinen festen Wohnsitz aufgegeben, genauso wie sein Fotostudio in Aachen. Seit vier Jahren lebt er in einem Dachzelt und sucht sich jeden Tag aufs Neue einen Übernachtungsstellplatz. 365 Tage auf seinem Ford Mondeo schlafen, ausgestattet mit Küchenkiste, Wasserkanister und Standheizung – und so bis zu 45.000 Kilometer pro Jahre zurücklegen. Ein Aussteiger der besonderen Art.

Herr Vogel, welchen Ausblick haben Sie gerade? 

Gerade stehe ich tatsächlich auf einem Supermarkt-Parkplatz in Leipzig. Ich hatte mich in der Stadt mit einem Freund verabredet, weil wir eine Podcast-Folge aufnehmen wollen und einige Projekte besprechen müssen. Wenn ich in der Stadt bin, schaffe ich es nicht immer rauszufahren, um in der Natur zu übernachten. So ist das Van-Leben: Nicht immer geht es um den Sonnenuntergang, sondern da wo das Internet ist. 

Wo nach entscheiden Sie, wo Sie übernachten?

Nach dem Bauchgefühl, nach Lust und Laune – darum geht es mir vor allem. Aber ich muss auch Termine wahrnehmen, oder ich möchte meine Familie oder Freunde besuchen. Danach richten sich auch meine Routen. Der Supermarkt-Parkplatz ist gerade nur ein Parkplatz für meine Arbeitstermine. Das war grad die Lösung, weil ich hier Netz habe. Ansonsten gibt es kaum Kriterien, außer dass ich probiere viel draußen in der Natur zu sein.

An wie vielen Orten leben Sie pro Jahr?

Ich bin fast jeden Tag wo anders. Manchmal bleibe ich auch ein oder zwei Nächte an einem Ort, aber spätestens jeden dritten Tag wechsle ich den Standort, weil es eben viele tolle Sachen zu sehen gibt. Für mich ist das eine gute Abwechslung und dann habe ich wieder Lust weiterzuziehen. Das Reisen ist ein wichtiger Bestandteil für mich. Das Gefühl mag ich sehr gerne. Deswegen bin ich gerne unterwegs und ich sehe gerne Land und Leute und entdecke etwas.

Was war der spektakulärste Ort, an dem Sie übernachtet haben?

Oh, das sind so viele, das ist schwierig zu sagen. Aber: Ich habe schon so ein paar Bilder im Kopf. In Spanien stand ich mal auf der Klippe und konnte direkt das Meer sehen. Links von mir war einsame Sandbucht, halbmondförmig. Rechts war die Klippe – das war eine Landschaft wie in „Der Herr der Ringe“. Atemberaubend. Da stand ich auch länger als drei Tage. 

Sie könnten aber auch einfach mit einem Wohnmobil reisen – es gibt doch sicher bequemere Möglichkeiten unterwegs zu sein. Warum haben Sie sich für das Dachzelt entschieden?

Jeder Jeck is anders. Der eine findet meine Lebensweise stressig, der andere findet es stressig, immer den gleichen Tagesablauf zu haben. Unterwegs sein – das muss nicht mit einem Dachzelt passieren. Jeder kann gucken, was er will und was er braucht. Ich will reisen und brauche wenig. Wenn du dir Gedanken darüber machst, dann findest du die richtige Lösung für dich. Den geregelten Alltag brauche ich nicht. Aber ob Expeditionsautos, Wohnmobile oder ein Tiny Haus – das alles gehört zu einer Bewegung, in der es um „weniger ist mehr“ geht. Was brauche ich wirklich? Kann ich mich minimalisieren? Bin dann glücklicher? Das sind die Fragen, die ich mir gestellt habe.

Haben Sie schon immer weniger gebraucht als andere?

Ich hatte noch nie das Bedürfnis Dinge anzuhäufen. Mich belasten Sachen eher als dass sie mich zufrieden machen.

Vermissen Sie manchmal ein festes Zuhause mit fließendem Wasser? 

Wenn du darauf achtest, dass du immer genügend Wasser im Kanister hast, brauchst du dir keine Sorgen um das Wasser zu machen. (lacht). Aber wenn ich doch mal das Bedürfnis habe, in einem Haus zu schlafen, dann miete ich mich irgendwo ein, buche mir ein Hotel oder eine Ferienwohnung. Der Bedarf ist aber einfach nicht da. Ich kann an vier Händen abzählen, wann ich das in den letzten vier Jahren gemacht habe. Meistens, wenn ich krank war, dann brauchte ich was stabiles. Ansonsten ist da kein Bedürfnis.

Welche Vorteile hat das Dachzelt für Sie? 

Ich bin näher an der Natur, näher am Abenteuer. Mein Bedürfnis nach Freiheit wird so gestillt und ich bin unabhängig mich immer und überall hinbewegen zu können. Das Dachzelt ist meine Höhle, dort kann ich chillen, Kind sein, die Natur beobachten. Ich bin Wind und Wetter ausgesetzt und kann mich selber spüren. 

Was sind Ihre drei Tipps für Dachzelt-Interessierte? 

Erstens: ausprobieren. Vielleicht leiht man sich erst einmal ein Dachzelt für ein Wochenende bevor man sich direkt eins kauft. Dann kann man selbst erfahren, was man braucht. 

Zweitens: einfach machen. Es gibt so viele Leute, die sich Gedanken machen: Was muss ich einpacken, wird es zu kalt oder zu warm? Ich finde, sie sollten einfach ihre Klamotten einpacken und es ausprobieren. Dann werden sie sehen, wie es läuft und dann kann man immer noch optimieren.

Drittens: im Vorfeld informieren. Wenn jemand eher auf Sicherheit geht, dann kann man sich mittlerweile super bei anderen informieren. Man kann auch zu Veranstaltungen oder Treffen von Dachzelt-Fans gehen. Das ist ja auch das Tolle am Dachzelt: Es ist eine ganze Gemeinschaft geworden, die zusammen etwas erleben möchte. So kann man sich ein bisschen aufgehobener fühlen.

Wie groß muss eigentlich das Auto sein, auf dem das Dachzelt steht?

Das ist ganz davon abhängig, wie der Bedarf ist. Der eine sagt, er braucht einen Lkw, dem anderen reicht ein Smart. Wenn man schon ein Auto hat, braucht man sich kein Campingmobil kaufen, wenn man sich für ein Dachzelt entschieden hat. Das ist ein super Vorteil. Man kann nutzen, was da ist und einfach seine Taschen reinschmeißen. Man muss ja nicht direkt die Sitze ausbauen, so wie ich das gemacht habe.

Mittlerweile ist ein richtiger Hype um das Dachzelt entstanden. Finden Sie das gut? 

Ich freue mich darüber, dass viele Leute die Leidenschaft teilen, die ich lebe. Ich habe keine Probleme damit, dass mehr Leute unterwegs sind. Da sehe ich eher für jeden einen Vorteil drin. Und es ist eine Möglichkeit in der Gesellschaft umzudenken. In den letzten Jahren ging es immer nur ums höher, schneller, weiter. Jetzt hat Corona uns das Stoppschild gezeigt und die Leute gehen zurück zu den Basics. Das ist eine schöne Entwicklung gerade. Dem kann ich nur Positives abgewinnen. 

Welche Menschen machen gerne im Dachzelt Urlaub? Was sind das für Leute?

Da gibt es keine Schublade. Jede Auto-Dachzelt-Kombination ist einzigartig. Von Single bis Großfamilie, vom Handwerker bis hochstudiert – alles ist dabei. Die Leute kann man nicht über einen Kamm scheren. Ich merke nur, dass alle, die unterwegs sind, sehr aufgeschlossen sind. Das sind ja eh die meisten Camper, weil man sich viel draußen bewegt, man ist nicht abgeschlossen und man muss in Kontakt treten, wenn man wild steht. Unter dem Strich sind es Leute, die offen und hilfsbereit sind, die mit einem Dachzelt unterwegs sind.

Welches Ziel steht als nächstes an?

Als nächstes besuche ich meine Mutter zum Geburtstag. Es ist Familien-Zeit angesagt.

Und welches weitere Ziel ist noch ihr Traum?

Ich würde gerne mit einem VW-Käfer von Alaska bis Feuerland fahren, die ganze Tour durch Amerika. Natürlich mit Dachzelt. 

Das Gespräch führte Jennifer Wagner

Hier gehts zum Artikel beim Kölner Stadtanzeiger.

Thilo

My home is a car. My bedroom is a rooftop tent, my kitchen is in the trunk and my office is located on the back seat of my 2011 Ford Mondeo station wagon. Since 2016 I am travelling all around Europe. But this is just the beginning...

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